Ruhe bitte! 11FREUNDE

November 2024 · 5 minute read

Ent­span­nung. Ruhe. Work-Life-Balance. Viel dis­ku­tierte Schlag­wörter in Co-Working-Spaces überall nord­öst­lich des Ber­liner Flat-White-Brei­ten­grads in Kreuz­berg bis Prenz­lauer Berg. Medi­ta­ti­ons­apps sind hoch im Kurs. Die Suche nach dem rich­tigen Aus­gleich für Geist und Körper schwirrt durch alle Start-ups. Was sicher in keinem Tai-Chi-Lehr­buch vor­kommt: Fan des 1.FC Kai­sers­lau­tern zu sein.

Dabei hatte sich der der Bet­zen­berg nach der Rück­kehr in die zweite Bun­des­liga vor ein­ein­halb Jahren eigent­lich als Ort der Freude und des begeis­ternden Anfeu­erns einer ent­gegen aller Erwar­tungen kon­kur­renz­fä­higen Auf­stei­ger­mann­schaft gezeigt. Auch die lau­fende Saison star­tete gut, nach neun Spielen grüßten die Roten Teufel von Platz drei. Seitdem geht es bergab. Sinn­bild­lich für die aktu­elle Ver­fas­sung der Lau­trer ist eine Szene aus dem Spiel gegen den FC St. Pauli: FCK-Spieler Marlon Ritter dreht einen Frei­stoß an den Innen­pfosten, der Ball springt in den Fünf­me­ter­raum. Im anschlie­ßenden Getümmel fliegt der erste Nach­schuss an die Latte und der zweite – wie sollte es anders sein – wird auf der Linie geklärt. Der dritte Ver­such geht dann schließ­lich über den Kasten von Pauli-Keeper Vasilj. So geht es der­zeit fast allen im Verein: Sie ver­su­chen viel, aber nichts will so wirk­lich funk­tio­nieren.

Der Trai­ner­ef­fekt ist schon wieder ver­pufft

Die Bilanz der Pfälzer seit eben diesem neunten Spieltag ist schlichtweg grau­en­haft. Klar, im DFB-Pokal konnten sie die nächste Runde errei­chen, am nächsten Mitt­woch wartet im Vier­tel­fi­nale die Hertha. Aber: In der Liga holte die Mann­schaft seit Anfang Oktober nur einen ein­zigen Punkt. Was sport­liche Tal­fahrten angeht, ist die der Lau­trer schon fast lehr­buch­artig. Nach fünf sieg­losen Par­tien in Serie musste der Auf­stiegs­trainer Dirk Schuster seinen Hut nehmen. Sport­chef Thomas Hengen ging der tiefe Fall zu schnell, ein neuer Impuls sollte her. Dis­ku­tiert wurden Namen wie Michael Wimmer, ehe­ma­liger Stutt­garter Nach­wuchs- und Inte­rims­trainer, aktuell bei der Aus­tria Wien, oder auch FCK-Legenden wie Miro­sklav Klose und Bruno Lab­badia. Ein­ziges Pro­blem: Keiner der Wunsch­kan­di­daten machte sich auf den Weg in die Pfalz. Statt­dessen wurde der Trai­ner­stuhl mit Dimi­trios Gram­mozis besetzt, ver­mut­lich eher eine B- oder C‑Lösung Hen­gens.

Der Trai­ner­wechsel brachte aber nicht den erhofften Auf­schwung. Zwar war das erste Spiel des neuen Chef­trai­ners das sieg­reiche DFB-Pokal-Ach­tel­fi­nale gegen Düs­sel­dorf. Das Wei­ter­kommen im Pokal war jedoch gleich­zeitig der ein­zige Erfolg, den die Pfälzer unter Gram­mozis feiern konnten. Alle drei fol­genden Liga­par­tien gingen ver­loren. Dabei geben nicht nur die Nie­der­lagen an sich Grund zur Sorge. Die Art, wie der FCK vor allem defensiv auf­trat, ist besorg­nis­er­re­gend. Ein ums andere Mal ließ sich die Abwehr düpieren. Ohne Keeper Krahl hätte es in den ver­gan­genen Spielen wohl einige Gegen­tore mehr geha­gelt. Der Trainer ist zwar erst seit vier Pflicht­spielen im Amt, ein rich­tiges Urteil ist fast nicht mög­lich. Sicher ist aber: Die so drin­gend benö­tigte Sofort­hilfe war er nicht. 

Thomas Hengen hatte nach Gram­mozis‘ Anstel­lung im SWR als wich­tigsten Punkt gefor­dert: Wir müssen den Laden zube­kommen.“ Daran ist Gram­mozis bisher klar geschei­tert, in jedem der drei Liga­spiele unter seiner Lei­tung kas­sierten die Pfälzer zwei Tore. Und auch nachdem er in der Win­ter­pause Zeit hatte, aus­giebig mit der Mann­schaft zu arbeiten, prä­sen­tierte diese sich gegen ein zuge­ge­be­ner­maßen starkes St. Pauli mit defen­siven Man­gel­er­schei­nungen. Der Trai­ner­ef­fekt, so es ihn denn gab, ist im Prinzip sofort ver­pufft, weder die Ergeb­nisse noch die Spiel­an­lage sehen viel­ver­spre­chender aus als unter Schuster. Inzwi­schen, nicht einmal zwei Monate nach seiner Anstel­lung, gibt es schon die ersten Gerüchte um einen Raus­wurf von Gram­mozis.

Gerüchte, Lügen, Ruf­mord?

Am Wochen­ende wurde von einigen Seiten Wissen über die Ent­las­sung von Gram­mozis bekundet. Das lie­ferte unter der Woche logi­scher­weise einiges an Gesprächs­stoff. Zuerst wurde von Ver­eins­seite jeg­li­ches Inter­esse an einer Demon­tage des Trai­ners demen­tiert. Auf der Pres­se­kon­fe­renz vor dem Spiel gegen Schalke am Frei­tag­abend sprach Gram­mozis noch selbst über das Gerede zu seiner Ent­las­sung: Lügen zu ver­breiten, das ist Ruf­mord, das kann ich mir nicht gefallen lassen.“ Auch denke er über die Ein­lei­tung juris­ti­scher Schritte nach. 

Die Gerüchte kamen aber nicht von unge­fähr. Dass Geschäfts­führer Hengen lieber früher als später reagiert, wenn es um die Zukunft eines FCK-Trai­ners geht, ist hin­läng­lich bekannt, spä­tes­tens, seit er Marco Ant­werpen nach dem letzten Spieltag der Saison 2021/22 feu­erte. Damals rutschten die Lau­trer noch ganz zum Schluss vom zweiten auf den dritten Platz der 3. Liga und mussten damit in die Rele­ga­tion. Dafür fand er den gold­rich­tigen Kan­di­daten in Dirk Schuster. Der machte die Mann­schaft von heute auf morgen bereit für die alles­ent­schei­denden Par­tien gegen Dynamo Dresden. Dieses Mal scheint Thomas Hengen mit Dimi­trios Gram­mozis kein so glück­li­ches Händ­chen gehabt zu haben.

Abschied eines Publi­kums­lieb­lings

Als wären die sport­li­chen Pro­bleme noch nicht genug, brachte der Januar noch eine wei­tere Hiobs­bot­schaft für alle Lau­tern-Fans: Publi­kums­lieb­ling, Auf­stiegs­held und Träger eines Lautre-Tat­toos, Ter­rence Boyd, wech­selte zum Erz­ri­valen Waldhof Mann­heim. Gerade er, der in seinen zwei Jahren im Verein das Gesicht dieser Mann­schaft wurde, verrät den FCK. So zumin­dest die Reak­tion vieler Anhänger, die den Buwen aus Baden eher in Feind­schaft ver­bunden sind. Die Begrün­dung für seinen Wechsel, die der Stürmer auf Social Media teilte: Er wolle seine Kinder nicht aus ihrem Umfeld her­aus­reißen. Leider war Mann­heim der ein­zige Verein in der Umge­bung, der sport­lich infrage kam.

Bei allem hin und her ist aber eins sicher: Boyds Transfer hat auf keinen Fall Ruhe in einen ohnehin strau­chelnden Verein gebracht. Dabei bräuchten die Roten Teufel gerade das, um Gram­mozis dabei zu unter­stützen, die sport­liche Situa­tion zu ver­bes­sern. Schafft er es nicht, droht dem FCK ein nächster finan­zi­eller Super-GAU: Schon nach dem letzten Abstieg aus der zweiten Liga plagte die Pfälzer eine chro­nisch klamme Kasse. Mehr­mals wurde die Dritt­li­ga­li­zenz nur unter Auf­lagen erreicht. Erst durch die Rück­kehr in die zweite Liga wurden diese Pro­bleme end­gültig über­wunden. Der Klas­sen­er­halt ist also über­le­bens­wichtig für den Verein. Ein dafür weg­wei­sendes Spiel steht am Frei­tag­abend an: Zwei Pro­blem­kinder der zweiten Liga treffen auf­ein­ander, Schalke 04 kommt ins Fritz-Walter-Sta­dion. Sollte der FCK nicht gewinnen, läuft die Mann­schaft von Gram­mozis Gefahr, voll­ends in die Gruppe der Abstiegs­kan­di­daten zu rut­schen. Aktuell hat Lau­tern nur einen Zähler Vor­sprung auf Platz 17. Die FCK-Spieler sollten gegen Schalke also besser keine drei hun­dert­pro­zen­tige Chancen nach­ein­ander ver­sem­meln. Dimi­trios Gram­mozis wird sonst ver­mut­lich eher früher als später den Platz auf der Trai­ner­bank räumen müssen. Und in ein Tai-Chi-Lehr­buch kommt man mit zwei Trai­ner­ent­las­sungen in einer Saison auch nicht.

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