
Für Rui Pintos Verhältnisse ist die Zahl fast schon mickrig. 90 Straftaten hatte ihm das Gericht in Lissabon zur Last gelegt. In neun Vergehen, darunter versuchte Erpressung, sprach Richterin Margarida Alves den 34-Jährigen schuldig. Sie verurteilte den Gründer der Enthüllungsplattform Football Leaks zu vier Jahren Gefängnis auf Bewährung. Anderthalb Stunden dauerte die Urteilsbegründung Anfang der Woche. Zu den Klägern gehörten neben Sporting Lissabon und dem portugiesischen Fußballverband auch eine große Anwaltskanzlei und ein zwielichtiger Sportvermarkter.
Pinto, der früher mal Geschichte studierte, ist in eben jene eingegangen. Er stellte Originaldokumente online, die Steuerhinterziehung und andere Finanztricksereien im Profi-Fußballgeschäft öffentlich machten. „Die Fußballfans müssen verstehen, dass sie ein unkontrolliertes Monster füttern“, sagte Pinto mal über die Beweggründe hinter der Enthüllungsplattform. Die Zahlen, mit denen er die Fußballwelt auf den Kopf gestellt hat, sind ebenfalls monströs. Auf Grundlage seiner Leaks haben Investigativ-Journalisten seit 2016 etwa 70 Millionen Dokumente durchleuchten können. Die Recherchen führten dazu, dass Top-Fußballer und ‑Vereine von Gerichten verurteilt wurden, aber dazu später mehr.
Bei der Urteilsverkündung verwies die Richterin auf den gesellschaftlichen Beitrag, den Pinto mit seinen Vergehen geleistet habe. Das und die Kooperation mit den Behörden milderten das Strafmaß. Der Portugiese mit der Igel-Mähne, der sich das Hacken selbst beibrachte, half der Polizei beim Entschlüsseln seiner Festplatten. Zahlreiche Staatsanwaltschaften in Europa interessieren sich für die darauf gespeicherten Daten.
Held oder Black Hat? Eine Frage der Perspektive
Ist der 34-jährige Portugiese nun ein Held im Kampf gegen den Kommerz-Fußball oder doch ein Black Hat, also ein Hacker mit hoher krimineller Energie? Hier gehen die Bewertungen auseinander. In einem Interview mit dem Spiegel bestritt er, jemals „mit brachialen Mitteln“ in ein Computer-System eingebrochen zu sein. Generell verstehe er sich nicht als Hacker, sondern als Whistleblower. Pinto betont, dass viele der ihm vorgeworfenen Taten von Unterstützern der Plattform begangen wurden – das Gericht sieht das mangels Beweise anders. Namen von Mittätern werde Pinto jedoch nicht nennen.
Ein kurzer Rückblick: Im September 2015 ging die Seite Football Leaks online. Zu den ersten Enthüllungen gehörten Ungereimtheiten bei Transfers im portugiesischen Fußball. Große Wellen schlug die Plattform 2016, als sie ihre Dokumente mit Investigativ-Journalisten teilte. Ende des Jahres folgten die ersten Berichte. In der Folge wurde unter anderem Weltfußballer Cristiano Ronaldo wegen Steuerhinterziehung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Strafzahlung von etwa 20 Millionen Euro verurteilt. Ebenso wurde öffentlich, wie Manchester City zwischen 2012 und 2016 Sponsoreneinnahmen systematisch überbewertet hatte und damit die Financial-Fair-Play-Regeln umging. 2020 schloss die UEFA den englischen Triple-Sieger deswegen für zwei Jahre von der Teilnahme an europäischen Wettbewerben aus und verhängte eine Geldbuße von 30 Millionen Euro. Allerdings kippte der Sportgerichtshof das Urteil wegen ungenügend schlüssiger Beweise und verjährter Vergehen. Die Strafzahlung reduzierte das Schiedsgericht auf zehn Millionen Euro.
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